von Augušt Maria Neander, 22.01.2007, 00:24 Uhr (Freiburger Zeitalter)
»Those Romans who perpetrated the rape of the Sabines, for example, did not work themselves up for the deed by screening Debbie Does Dallas, and the monkish types who burned a million or so witches in the Middle Ages had almost certainly not come across Boobs and Buns or related periodicals.« – Barbara Ehrenreich
In der aktuellen Ausgabe dieser Zeitschrift (Nr. 22) argumentiert der Autor zugunsten einer Neubewertung des Pornographiebegriffes. Nicht die Darstellung von Sexualität ist pervers, sondern die vulgärplatonische Sichtweise, die radikale Leiblichkeit verdammt. Nicht Ästhetik und Sitte sind das Maß der Pornographie, sondern freier Vollzug des autonomen Subjekts. Postplatonische Pornographie: Das heißt, nicht in der Darstellung eines erigierten Penis den Untergang des Abendlandes zu sehen, sondern in der Bild-Zeitung.
Hier sollen zur weiteren Lektüre Quellen im »Internet« empfohlen werden.
Theorie und Politik
Besonders im liberalen bis libertären Spektrum wird Pornographie, auch und gerade in feministischer Perspektive, diskutiert. Zu Zeiten, da die libertäre Eigentümlich frei noch respektabel und keine Hans-Hermann-Hoppe-Hurrapostille war, erschien dort unter der Nummer 14 ein Heft zum Thema; hervorzuheben ist Wendy McElroys Beitrag Pornographie aus feministischer Sicht. Ins gleiche Horn stößt die British Association of Libertarian Feminists, die gemeinsam mit der Libertarian Alliance verschiedene Texte zum Thema veröffentlicht hat. Herauszuheben ist insbesondere Fake Science and Pornography von Avedon Carol sowie als Überblick The Modern Pornography Debates von Nettie Pollard. Der ansonsten grenzdubiose Informationsdienst itp veröffentlicht einen Auszug aus Nadine Strossens »Zur Verteidigung der Pornographie«.
Theologisch beschäftigt sich Sex in Christ mit der Frage nach der Rechtfertigung gewisser Sexualpraktiken. Trotz des unbestreitbaren Verdienstes der Seite enttäuscht der streng protestantische sola-scriptura-Ansatz.
Hintergründe
Einen Überblick über die durch den epochemachenden Pornofilm »Deep Throat« ausgelöste juristische Bewertung in den USA bietet Politics and Pornography von David M. Edwards. Eine größere historische Breite führt Marianna Beck in ihrer Geschichte der Pornographie aus. Ausführlich informiert auch die xyclopedia über »the history of pornography and sexual expression«. Muß man den einschlägigen Foucault gesondert erwähnen? Jedenfalls: »Sexualität und Wahrheit«, besonders Band 2. Zur Vertiefung der im Artikel in der Druckausgabe dieser Zeitung ausgeführten theologischen Herleitung sei in der aktuellen Ausgabe der Stimmen der Zeit der Artikel »Sexualität macht unrein? Eine christentumsgeschichtliche Vergewisserung« Hubertus Lutterbachs empfohlen, leider nicht im Netz, wie auch die meisten Ergebnisse des Forschungsprojektes »Pornografie [sic!] in allen Medien« des Institutes für angewandte Medienforschung.
Kunst und Praxis
Die auch sonst empfehlenswerte FAQ-Liste der Newsgroup de.talk.liebesakt beinhaltet eine Übersicht über »gute« Pornos. Theoretisch wie praktisch praktizieren die spanischen Girls who like porno (die dortige Linkliste führt weiter), auch beim Kongreß postpornpolitics, der vom deutschen Feuilleton breit diskutiert wurde. Ebenso: die aktuelle Ausgabe der Texte zur Kunst titelt mit Porno. Beautiful Agony zeigt seinem Motto »Facettes de la petite mort« gemäß, wie ästhetische Pornographie ohne hergebrachte Kategorien des Expliziten (und dennoch expliziter als alles »Wham, bang, thank you, Ma’am«) funktionieren kann. (Der Zugang kostet, ist seinen Preis aber mehr als wert.)