Wir sprechen mit J. Waldschütz (21). Er ist FSK-Referent des u-asta, war während des Uni-Streiks an der Besetzung der CDU-Parteizentrale beteiligt und hat bei der Polizei nach einer Beschuldigtenvorladung darüber ausgesagt.
Nach dem ersten Gespräch und der Vollversammlung vom 15.06. haben wir unser Interview fortgesetzt.
von Corner Stone und Timotheus Schneidegger, 17.06.2004, 15:14 Uhr (Dunkles Zeitalter)
Lichtwolf: Wie schätzt du die Debatte auf der VV ein?
Waldschütz: Es war gut, daß die Besetzung der CDU-Zentrale und die Folgen mal zur Sprache kamen. Aber die Zeit hat nicht gereicht, um die Lage von zwei Seiten her darzustellen. Ich bedaure es, daß man die Aufnahme dieses Themas in die Tagesordnung erst so lange fordern musste.
Lichtwolf: Betrachtest du es als generelles Problem des u-asta, daß alles nur intern geregelt wird?
Waldschütz: Ich finde, daß die Kommunikationswege sonst funktionieren. Ich glaube, daß die Debatte um die CDU-Besetzung etwas ist, was hier viele Leute ärgerlich gemacht und zermürbt hat. Viele vom u-asta hatten deshalb keine Lust, daß das ganze auf der VV noch einmal hochkocht. Ich glaube nicht, daß man da irgendetwas geheimhalten wollte.
Lichtwolf: Wie beurteilst du das Verhalten des Vorstands?
Waldschütz: Lisa war die Sache sichtlich unangenehm. Sie fragte mich, ob ich die Leitung der Sitzung übernehmen würde, was ich nicht gemacht habe, weil ich mit der Sache zu tun hatte und selber dazu reden wollte.
Wenn man betroffen ist, und Lisa ist das indirekt auch, dann geht man mit so einer Sache anders um. Da ist es dann verständlich, wenn man diesen Teil der Sitzung nicht leiten will.
Lichtwolf: Sie hat die VV verlassen, als die Diskussion überhaupt erst losging…
Waldschütz: Dazu möchte ich nichts sagen.
Lichtwolf: Wie wurde auf den Antrag, der u-asta solle sich mit den Besetzern solidarisieren, in der FSK reagiert?
Waldschütz: Es kam zu einer meines Erachtens sehr unguten Reaktion. Es hieß am Ende der VV, daß alle, die an dem Thema Interesse haben, mitkommen sollten, weil es in der FSK weiter behandelt würde. Aber zu deren Beginn wurde gleich beschlossen, nicht weiter darüber zu diskutieren, sondern sofort über den Antrag abzustimmen. Dann wurden einige Tagesordnungspunkte vorgezogen, die mit dem Aktionstag am Samstag (19. Juni) zusammenhängen und dringend geklärt werden mussten. Als ich zur Abstimmung über den Antrag der FS Soziologie überleiten wollte, wurde die Diskussion wieder aufgenommen, was ich zugelassen habe, aber die Mehrzahl der Anwesenden hat den Raum verlassen, einige wegen des Fußballspiels, andere aus Protest gegen die Wiedereröffnung der Debatte.
Da ich die FSK leite möchte ich keine Mutmaßungen darüber anstellen, was für ein Beschluß dabei herauskommen wird. Ich würde mir wünschen, daß er beide Seiten zufriedenstellt. Wogegen ich mich jedoch wehren würde, wäre die Forderung, der u-asta solle sich an Prozeßkosten beteiligen. In der Frage nach der Solidarisierung bin ich wirklich gespalten. Ich sehe die Besetzung sehr kritisch, deswegen muß sich der u-asta nicht unbedingt solidarisieren. Aber es ist jetzt wichtig, daß die Beschuldigten nicht ganz alleine dastehen. Deswegen bin ich in dieser Frage unentschieden.
Lichtwolf: Die Fronten in diesem Streit sind verhärtet. Meinst du, mit einem mäßigen Beschluß der FSK wäre es möglich, wieder eine Einheit zu schaffen?
Waldschütz: So eine Diskussion hinterlässt immer Spuren. Da kann man nicht weitermachen, als wäre nichts gewesen. Für mich wäre das erste Ziel, sich wieder zusammenzusetzen, auch mit Leuten, die an der Besetzung aktiv beteiligt waren, um abzuklären: Was machen wir?
Lichtwolf: Ist jetzt nicht die Zeit für Grundsatzdiskussionen um die Position des u-asta in Fällen wie diesem, der sich wiederholen könnte, anstatt einer Diskussion mit einzelnen?
Waldschütz: Ich will eigentlich erst diesen Fall geklärt haben, bevor ich eine Grundsatzdebatte anfange.
Eine Besetzung ist ein relativ krasses Mittel. Es ist juristisch gesehen illegal, kann aber, um politisch etwas zu erreichen, legitim sein. War sie das in diesem Fall? Im Nachhinein würde ich das mit Nein beantworten.
Lichtwolf: Hängt die politische Legitimität einer solchen Aktion von ihrem Erfolg ab?
Waldschütz: Erstmal von der Situation, in der sie stattfindet. Wenn heute beschlossen wird, daß morgen Studiengebühren eingeführt werden, dann finde ich eine Aktion wie eine Besetzung legitim.
Lichtwolf: Wäre es dann nicht zu spät? Die CDU plant ja konkret, Studiengebühren einzuführen.
Waldschütz: Aktionen wie die Besetzung einer Parteizentrale müssen letztes Mittel bleiben, das heißt wenn ein Gesetzentwurf zu Studiengebühren in den Landtag kommt. In Berlin kam ein konkreter Gesetzesentwurf zu Studiengebühren in den städtischen Senat, und erst dann kam es zu Besetzungen, nicht vorher.
Ich finde, wenn man ein solches Mittel verwendet, muß man es mit der politischen Legitimität abwägen. Das ist auch immer eine Abwägung, die man persönlich für sich treffen muß. Aber der u-asta muß diese Abwägung auch treffen. Im Zweifelsfall muß der u-asta dabei vorsichtiger sein als ein Einzelner, der das für sich entscheidet.
Lichtwolf: Wie will der u-asta mit den Rücktritten und seiner angeschlagenen Glaubwürdigkeit fertigwerden?
Waldschütz: Es gibt nur einen Weg: Kontinuierlich gute politische Arbeit zu leisten. Mit Clemens Weingart und Daniele Frijia haben wir zwei sehr engagierte Vorstände.
Es war sicherlich nicht gut, daß man sich die Diskussion der CDU-Besetzung solange aus der Nase hat ziehen lassen. Ich hätte dieses Thema von alleine auch nicht auf die Tagesordnung der VV gesetzt, weil dazu einfach eine Stellungnahme der FSK erforderlich gewesen wäre. Meines Erachtens hätte man die Besetzung durchaus zum Thema einer eigenen VV machen sollen.
Zu den Rücktritten: Martin hat den Entschluß dazu de facto schon vor oder zu Beginn des Streiks gefasst. Man kann es verstehen, so wie Martin hat schaffen müssen. Natürlich hat sein Rücktritt ein Zeichen gesetzt, es war nämlich der erste eines Vorstands seit langem. Andere Vorstände, die keine Lust mehr hatten, haben bis zum Ende auf Sparflamme weitergemacht.
Warum ist Ria zurückgetreten… Offensichtlich hat sich ihre politische Heimat verändert.
Lichtwolf: Könnte es nicht sein, daß Ria sich nur zu Anfang mit ihrer politischen Heimat im u-asta zu Hause gefühlt hat?
Waldschütz: Nein, ich glaube nicht, daß der u-asta sich irgendwie nach rechts verschoben hat. Man hat während des Streiks mit seattle zusammengearbeitet. Ich empfinde auch eine Abgrenzung nach links nicht als solche.
Natürlich: Jeder Vorstand hat eine persönliche Meinung. Daß die von Martin nicht so links ist wie die von Ria, das können wir feststellen, ja.
Lichtwolf: Ein paar Worte zu Lisa Rücktritt?
Waldschütz: Es tut mir unwahrscheinlich leid, weil Lisa sehr gute Arbeit geleistet hat. Das war auch der allgemeine Tenor in der FSK nach der Verkündung ihres Rücktritts. Von allen Seiten kam großes Lob für Lisa. Man muß schon sehen: Sie war alleine im Vorstand, es gab viele Streitereien, die waren nervenaufreibend.
Wir müssen uns fragen, wie es der u-asta geschafft hat, Vorstände zu verschleißen. Daniele macht den Übergangsvorstand – wir müssen aufpassen, daß der nicht so viel Arbeit alleine zu bewältigen hat. Nicht daß er im Sommer sagt: „Ich habe die Schnauze voll vom u-asta, ich mache nächstes Jahr nicht den Vorstand.“
Lichtwolf: Fantasiereise um ein Jahr in die Zukunft: Die Hälfte der Stammwähler hat sich enttäuscht vom u-asta abgewandt oder ist gar nicht erst zur Wahl gegangen. BuF erhält in den Uniwahlen 2005 höchstens 30%, das u-Modell ist Geschichte.
Waldschütz: Also erstens muß man sagen: Selbst dann wäre das u-Modell nicht Geschichte, es sei denn der RCDS erlangt 70% der Stimmen. Sowohl die JuSos als auch die JuLis, als wahrscheinlich auch seattle stehen zum u-Modell. Es gibt Differenzen, wie man das u-Modell ausgestaltet.
Das wichtige ist, daß das u-Modell wegen dieser Querelen nicht allgemein in Mißkredit gerät, weil es die einzige Möglichkeit ist, die Studierenden wirksam zu vertreten.
Lichtwolf: Die CDU hat nur die Anzeige wegen Hausfriedensbruch und Diebstahl gebraucht, um die Studierendenvertretung kaltzustellen, vielleicht sogar dauerhaft.
Waldschütz: „Kaltgestellt“ kann man nicht sagen. Wir haben interne Diskussionen, welche die Leute zermürben – das stimmt. Aber die Handlungsfähigkeit nach außen sehe ich gewährleistet. Ein Aktionstag wie am kommenden Samstag ist ein Zeichen nach außen gegen die Politik der CDU.
Lichtwolf: Könntest du dir eine weitere Verschärfung der Lage vorstellen, die dich zum Rücktritt als FSK-Referent bewegen würde?
Waldschütz: Sicherlich gibt es manchmal Kritik an der Führung der FSK, das ist konstruktive Kritik und die versuche ich zu beherzigen. Aber es gab noch keine – jedenfalls wurde mir noch keine zugetragen – daran, daß ich die FSK weiter führe, obwohl ich bei der Polizei zur CDU-Besetzung ausgesagt habe. Sollte diese Kritik kommen, werde ich mich ihr stellen. Sollte dann eine Mehrheit der Meinung sein, ich soll den Job nicht weiter machen, dann trete ich zurück. Allerdings sehe ich von alleine keinen Grund zurückzutreten. Ich werde die Arbeit bis zur letzten Semesterwoche machen, danach gehe ich ins Ausland. Mein Aufhören zum Semesterende hat aber definitiv nichts mit der gegenwärtigen Lage des u-asta zu tun.
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